Dr. Thomas Martau

»Ein Einlassen in die letztendliche Wahrheit und Wirklichkeit«

Christlicher Glaube ist für mich die Bejahung der Existenz Gottes in der Form Gott so zu denken, wie er sich in Christus offenbart hat. Eine Kraft, die mich in allen Lebenssituationen trägt, ein Einlassen in die letztendliche Wahrheit und Wirklichkeit, auch wenn sie immer ein Geheimnis für mich bleiben wird.

Glaube braucht ein Medium, in dem er leben und sich entfalten kann, dazu braucht es die Kirche. Es geht dabei nicht primär um die Kirche als Institution, die in ihren strukturellen Ausprägungen durchaus ihren Sinn hat. Es geht um die Menschen, die dort ihren Glauben und ihre Zweifel teilen. Insofern bin ich mit der katholischen Kirche tief verwurzelt. Daher schmerzt mich die aus multikausalen Gegebenheiten und Entwicklungen herrührende Krise der Kirche, die zur gesellschaftlichen Irrelevanz abzudriften scheint, sehr. Die Worte von Karl Rahner, dass der Christ der Zukunft einsamer sein wird als der vergangener Zeiten, dass aber die Christen, die einander begegnen, sich näher sein werden, als viele Christen früherer Tage, treffen auf die momentane Situation zu, mögen aber auch ein Trost sein. Eine andere sexuelle Orientierung zu haben, dem haftet auch heute noch vielfach ein Nimbus sündhaften Soseins und Daseins an. Dagegen mit Gleichgesinnten anzugehen, schafft schon eine Nähe in der gemeinsamen Sache. Dafür ist das PSK eine gute Plattform. Durch Beharrlichkeit im Tun und im Gebet sind Menschen und Christenrechte in der katholischen Kirche eingefordert worden und das hat viele zum Umdenken bewogen. Die Situation, dass queere Gottesdienstgemeinschaften offiziell auf Katholikentage eingeladen werden und das Diözesansynoden sich mit Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften befassen, ist auch mit ein Verdienst dieser Beharrlichkeit.

Hubert Michael Ruß

»Eine lebendige Gemeinschaft, in der ich mich (auch) als schwuler Mann angenommen weiß«

In diesen über zwanzig Jahren habe ich ihren spirituellen Wert sehr schätzen gelernt und bin im Verlauf dieser Zeit mehr und mehr abgekommen, die herkömmlichen, stets monoton ablaufenden katholischen Gottesdienste in den Frankfurter Kirchen zu besuchen.

Dort erlebe ich nur Anonymität in der Erfüllung einer bloß stereotypen Sonntagspflicht, hier aber lebendige Gemeinschaft, in der ich mich (auch) als schwuler Mann angenommen weiß. Hier kann ich mich persönlich einbringen, werde gehört, erfahre ich jene Gemeinschaft, und nicht nur Mahlgemeinschaft, wie sie auch Jesus mit seinen Jüngern praktizierte, ergänzend durch persönliche Begegnungen und Erfahrungsaustausch. Diese meine Verbundenheit zeige ich nach außen aktiv durch meinen alljährlichen LAUF FÜR MEHR ZEIT, einen Benefiz-Lauf für die an AIDS Erkrankten in Frankfurt, wofür ich Sponsorengeld sammle und für das PSK auf 10 km ‚Flagge zeige‘. Die Anerkennung und damit Aufwertung erfuhr das PSK in einem langen (und zuweilen langwierigen Prozess) durch die Akzeptanz der katholischen Amtskirche, die alljährlich bei uns – früher durch den Limburger Diözesanbischof Franz Kamphaus, jetzt durch die Präsenz von unserem Stadtdekan, Johannes zu Eltz – vertreten wird, mit dem wir einen offenen, d.h. auch kritischen Dialog führen können, was (leider) immer noch nicht in allen Landeskirchen möglich ist. Diese Anerkennung zeigt mir, dass ich mich jetzt auch als schwuler Christ von der offiziellen Amtskirche angenommen weiß, die damit zeigt, dass sie lernfähig ist, im Sinne Jesu nicht mehr auszugrenzen.

Pia Maria Arnold

»Auch das Thema Sexualität wird nicht ausgespart«

Ich arbeite seit fast 40 Jahren als Pastoralreferentin im Bistum Limburg. Meine Einstellung zur Kirche hat sich in diesen Jahren sehr verändert. Als Frau habe ich schon immer unter der fehlenden Gleichberechtigung gelitten. Aktuell beschäftigt mich sehr der Missbrauchsskandal und die Frage der guten und langfristig wirkenden Aufarbeitung. Ich bin Teil einer Täterorganisation und will meinen Beitrag leisten, dass dies nicht so bleibt.

Mein Glaube hat mich in meinem Leben durch viele schwere Situationen getragen. Für mich war und ist es wichtig, meinen Beitrag zum Aufbau des Reich Gottes gemeinsam mit anderen Menschen guten Willens zu leisten.

Im Projekt schwul und katholisch war ich öfters als Gottesdienstleiterin dabei. Mich hat die Form der Feier immer angesprochen: gemeinsam zu feiern, alle beteiligen sich, das Leben und der Alltag von Menschen kommen zur Sprache, auch das Thema Sexualität wird nicht ausgespart.

Burkhard Cramer

»Eine Kirche, die von unten gestaltet wird«

Ich glaube Dir, setze mein Vertrauen in Dich – Jesus, der Du mein Christus, mein Befreier bist. Im Namen Gottes bin ich auf Dein Leben und Schicksal hin mit Wasser und Öl getauft. Mir – Burkhard, gilt die Zusage ein königlicher, prophetischer und priesterlicher Mensch – Gottes geliebtes Kind zu sein.

Loslassen fühlt sich an wie „leer“ werden, als wenn das eigene Ego zu Grunde geht – auf den Grund geht. Dort erst kann sich mein „innerstes Selbst“, das Gott mit seiner unendlichen und ewigen Gnade, Barmherzigkeit und Liebe füllt, entfalten. Hier ist „alles“ was ich im Wesentlichen bin. Meine „Leere“, mein „innerstes Selbst“ jedoch kann die Welt nicht mehr beherrschen, therapieren, besitzen oder über es verfügen.

Das Bekenntnis zu meinem „Schwul sein“ war eine der wesentlichen Stationen auf meinem Glaubensweg. Dabei vertraute ich auf meine erste große Liebe, Jesus Christus, der mir Ort und Tag meines „coming out“ schenken würde:

1992 besuchte ich meinen ersten Gottesdienst im „Projekt, schwul + katholisch …“. Es war das erste Mal, dass ich mich ganz wahrnahm – wahrhaftig sein konnte. Am selben Abend noch verliebte ich mich in Gregor, die Liebe meines Lebens. Nach 20 Jahren Partnerschaft haben wir 2012 unsere Lebenspartnerschaft eintragen lassen und 2013 den Segnungsgottesdienst in meinem Heimatdorf gefeiert. Seit dieser Zeit engagiere ich mich im PSK.

Gemeinschaften wie diese sind Teil der Kirche und kommen wie Graswurzeln von unten. Es sind Gemeinschaften, in denen wir unseren Glauben miteinander teilen, unser Herz, unsere Visionen, unsere Tränen, ja auch unseren Zorn. Die Kirche, die uns oft nicht versteht und ausgrenzt, ist eine Kirche, die maßgeblich von oben gestaltet wird. Das neue, gerade auch im PSK, ist eine Kirche, die von unten gestaltet wird. Wir müssen daher das Evangelium – die Gute Nachricht, dass Gott mit uns ist – so sagen und leben, dass die Gemeinschaft der Kirche uns hören muss und nicht mehr sagen kann, dass wir nicht Teil der Kirche sind.

Georg Linde

»Die katholische Kirche ist widersprüchlich wie das Leben dieser Welt«

Was bedeutet mir der christliche Glaube?

Christus ist die Verbindung, der Weg vom irdischen zum göttlichen Leben. Er ist Außenseiter in seiner Gesellschaft und zugleich Gottes Sohn. Das Vertrauen in die Liebe Gottes stärkt im widersprüchlichen Leben und gibt Kraft zur Liebe.

Die katholische Kirche ist widersprüchlich wie das Leben dieser Welt. Sie hat jesuanische Wurzeln, wird immer wieder von der Macht der beteiligten Menschen missbraucht, aber auch immer wieder vom heiligen Geist neu emporgehoben.

Die schwul-lesbische Gottesdienstgemeinschaft PSK hat mir geholfen, mich wieder als lebendiger Teil der Kirche Christi zu erfahren. Es ist heilsam, mich z.B. in Exerzitientagen auch als glaubender Schwuler einbringen zu können. Ich würde mir wünschen, andere Schwule zu treffen, die offen sind, das Wirken des Unbegreifbaren in der diesseitigen Welt wahrzunehmen.

Corinna und Michael Ling

»Unaufgeregte, meditative Atmosphäre der Gottesdienste«

Wir haben als heterosexuelles Paar über Jahre am Projekt unserer schwul-lesbischen Freunde in der Gemeinde Maria Hilf rege teilgenommen. Wir sind der Einladung gefolgt, da sich die Gemeinschaft nicht nur auf schwul-lesbische Menschen beschränkt, sondern für alle offen ist. Wir begrüßen es sehr, dass sich hier Menschen zusammengefunden haben, die sich wegen ihres So-Seins ihre Menschen- und Christenrechte nicht absprechen ließen, sondern sich – trotz nicht selten negativsten Erfahrungen mit der katholischen Kirche – innerhalb der Kirche nachdrücklich dafür eingesetzt haben. Das wollten wir nach Kräften unterstützen.

Die Art und Weise, wie das Befreiende des christlichen Glaubens im Projekt „schwul und katholisch“ und seinen verschiedenen Vollzügen gelebt wird, hat uns zahlreiche positive Impulse vermittelt. So gefiel uns etwa im Hinblick auf die Liturgie die unaufgeregte, meditative Atmosphäre der Gottesdienste, die ein eigener Kreis vorbereitete, außerordentlich gut. Die Gottesdienste sind immer im Leben verortet, so dass sich nicht nur jeder dort einbringen oder wiederfinden, sondern auch viel für das tägliche Leben „mitnehmen“ kann.

Da wir zumindest auf andere Art und Weise, sozusagen mit „veränderten Vorzeichen“ negative und repressive Erfahrungen mit der römisch-katholischen Kirche gemacht haben, waren wir von Hintergrund, Selbstverständnis und Vollzügen des Projektes unmittelbar angesprochen. Wir haben sehr großen Respekt vor den Mitgliedern des Projekts, dass sie trotz des bisherigen Umgangs der katholischen Kirche mit schwul-lesbischen Menschen ganz bewusst in der Kirche bleiben und für Veränderungen im Bereich Kirche und Homosexualität arbeiten. Wir hoffen mit ihnen, dass aufgrund der Signale, die der gegenwärtige Papst gesetzt hat, auch hier wie in der Zivilgesellschaft ein neues Miteinander entstehen und wachsen kann.

Wolfgang Nuss

»Sich nicht mehr von überholten Moralvorstellungen fremd bestimmen lassen«

Als ich nach Frankfurt zog, stieß ich schon wenige Wochen später auf das Projekt schwul und katholisch. Zuvor lag mein christlicher Glaube, den ich seit meiner Kindheit nie abgelegt hatte, 20 Jahre lang ziemlich auf Eis, denn nach meinem Coming Out konnte ich lange Zeit nicht mehr sehen, wo in der katholischen Kirche ein Platz für mich sein könnte.

In den Gottesdiensten des PSK fühlte ich mich aber sehr schnell heimisch: die selbstbestimmte und selbstbewusste Art, Messen selbst vorzubereiten und zu feiern, war mir schon von meiner Zeit in der katholischen studierenden Jugend her vertraut. PSK ist für mich die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden und sich nicht mehr von überholten Moralvorstellungen fremdbestimmen zu lassen. Und dabei so ganz nebenbei zu erfahren, dass sich in der katholischen Kirche allmählich etwas ändert, auch weil sie mit Gemeinden wie uns umgehen lernen muss.

Thomas Pöschl mit Partner

»Der bedeutendste Wendepunkt in meinem Leben«

Was sagt mir der christliche Glaube? Der christliche Glaube war und ist ein kurvenreicher Weg für mich. Meine Eltern sind ein gemischt konfessionelles Ehepaar, was in meiner Kindheit in den 1960er Jahren für beide Herkunftsfamilien ein Problem darstellte.

Jeden Sonntag ging mein katholischer Vater mit meinem Bruder und mir in die Kirche zum Kindergottesdienst. Die Mutter blieb zu Hause. Das Gottesdienstgeschehen fand ich fast immer spannend und interessant, vor allem die Evangeliumstexte und die Predigt.

Ich erlebte dann in den Jugendjahren eine Gemeinde, in der christliche Werte wie gegenseitige Hilfe und Unterstützung, einfaches „unpompöses“ Gottesdienst-Feiern, Nähe zu den Menschen mit ihren Problemen und Schwächen gelebt wurde. Das dreifache Liebesgebot wurde gelebt und gab mir die Richtschnur und den Mut, dies in meinem Leben umzusetzen.

Wie geht es mir mit der katholischen Kirche? Anders als in der eigenen (katholischen) Gemeinde erlebt, nahm und nehme ich die katholische Kirche als Ganzes als oft einengend und nicht freimachend war. Es gibt eine Sonntags“pflicht“, als Beispiel dafür, dass Vorschriften und Formalitäten einzuhalten sind. Statt eines Klimas, wo Freiheit in Verantwortung („Subsidiarität“) vorhanden ist, herrscht zentralistische, feudale, weltfremde Verbotsmoral. Die „Reinheit“ der Lehre und die Reinheit der Kirche stehen (hoffentlich: standen!) im Vordergrund.

Was bedeutet mir die schwul-lesbische Gottesdienstgemeinschaft in Maria Hilf…? Das Kennenlernen dieser Gottesdienstgemeinschaft stellt für mich den bedeutendsten Wendepunkt in meinem Leben dar. Aus Neugierde, was das denn sein könnte, bin ich zu Pfingsten 1994 aus Nürnberg hierher zum Gottesdienst gekommen. Hier kann ich meinen christlichen Glauben in der Gemeinschaft erfüllend leben. Und hier habe ich beim Gottesdienst meinen Mann fürs Leben kennengelernt, mit dem ich seit 26 Jahren ein Paar bin.

Martina Kissel-Staude

»Dass ich Jesus folgen will und seinem Zeugnis nacheifere, musste ich noch nicht in Frage stellen. Kirche ist für mich Heimat, in der ich aufgewachsen in. Ich habe sie als Ort tiefen Angenommen-Seins und starker Selbstwirksamkeit seit Kindheit und Jugend erfahren.«

»Der Zweifel läuft bei mir wie ein eineiiger Zwilling mit«

Mein Glaube ist die Hoffnung, dass wir in unserer Sehnsucht nach Liebe und Sinn über das Hier und Jetzt hinaus getragen sind. Der Zweifel läuft bei mir wie ein eineiiger Zwilling mit. Früher hat mich das niedergedrückt, jetzt lebe ich damit und habe mich daran gewöhnt, dass mein Glaube jede Nahrung mit seinem Zwilling teilt. Der Vorteil ist, dass ich dadurch Fanatismus vermeide und gerne auch die Positionen höre, die ich nicht teile.

Das betrifft sowohl Atheismus und andere Religionen wie auch die oft heftigeren Konflikte innerhalb der Kirche. Dass ich Jesus folgen will und seinem Zeugnis nacheifere, musste ich dabei noch nicht in Frage stellen. Insofern habe ich Geduld mit Gott – und hoffe, er hat sie auch mit mir. Kirche ist für mich Heimat, in der ich aufgewachsen bin. Ich habe sie als Ort tiefen Angenommen-Seins und starker Selbstwirksamkeit seit Kindheit und Jugend erfahren. Das danke ich einzelnen Seelsorgerinnen und Seelsorgern – besonders Pfarrer Klaus Greef in seiner Lahnsteiner Zeit – und auch dem freundschaftlichen Zusammenhalt unter der Messdienerschaft und Jugend. Ich habe studiert, um „besser glauben zu können“. Das hat nur bedingt geklappt, aber GERNE glauben und GERNE als Seelsorgerin arbeiten, das kann ich jeden Tag aus ganzem Herzen. Wieviel Raum die Doppelmoral im Oberbau unserer Kirche einnimmt, habe ich erst in den letzten 12 Jahren mit großer Wucht erkannt. Die Arroganz des Patriarchats war leichter zu ertragen solange Franz Kamphaus Bischof von Limburg war und ich noch nicht wusste, dass auch er wissentlich Priester nach pädophilen Übergriffen als Pfarrer, Seelsorger und Beichtväter (auch von Kindern) in meiner nächsten Nähe eingesetzt hat. Mit Bischof Georg ist nun auch ein Funken Hoffnung zurückgekehrt… Neben den Kollegen und vielen Christen in „meiner“ Pfarrei – in großer Mehrzahl engagierte Frauen –, gehört auch die Gruppe des Projekts Schwul und Katholisch zu den Menschen, mit denen und für die ich sehr gerne „Kirche“ bin. Obwohl ich 1999 aus Frankfurt weggezogen bin, bleibe ich Euch gerne verbunden und freue mich, einmal jährlich in Maria Hilf Gottesdienst halten zu können. Es ist schon ein Vergnügen, nicht alleine für die Liturgie zuständig zu sein, sondern den eigenen Glauben und die eigenen Gedanken mit Eurer Struktur und Euren Impulsen verweben zu können. Von mir aus kann das bis zu Eurem „Goldenen“ so bleiben.

Herzlich

Martina Kissel-Staude

Theodor Sandbaumhüter

»Halt, Mut und Zuversicht in meinem Leben«

Sehr widersprüchlich ist meine Erfahrung mit Kirche. Einerseits will ich daran glauben und bin zuversichtlich, dass die Amtskirche das Thema „Liebe unter schwulen Männern und lesbischen Frauen“ in Zukunft nicht weiter aussitzen kann und ihre bisherige Haltung grundsätzlich ändert. Anderseits scheint mir der Wille und die Bereitschaft zur Veränderung nicht ausreichend vorhanden zu sein.

Die Gottesdienstgemeinschaft „Projekt: schwul und katholisch in der Gemeinde Maria Hilf“ zeigt mir, dass ich nicht alleine bin in diesem Konflikt, Liebe zum eigenem Geschlecht und die Liebe Gottes zu erfahren. Ich bin ein Geschöpf Gottes und kann mir seiner Liebe sicher sein. Ich bin in der Gemeinschaft nicht alleine und das stärkt mich im Alltag.