Lansdowne Manor in Wimbledon. Zehn Gäste auf einer Party, einer wird ermordet. Die Polizei stellt alle Anwesenden zunächst unter Hausarrest.
Man muss kein Krimiexperte sein um festzustellen, dass das Ausgangsszenario an Agatha Christie und Co. erinnert. Ein Murder Mystery (Krimispiel) kann beginnen. Was aussieht wie ein Whodunnit im klassischen Gewand zeigt sich überraschend frisch, denn wenngleich die Geschichte auf einem altehrwürdigen Landsitz spielt, geht es auch um High-Tech der Zukunft.
Lansdowne Manor ist der Firmensitz von Sphereglobe, einem Start-Up, dass mit einer bahnbrechenden Idee modernste Zukunftstechnik anbieten will. Sogenannte Spherepods sollen die Kommunikation revolutionieren, um durch gemeinsame Erkenntnisse zukünftig Konflikte zu vermeiden. Niemand verkörpert die Idee besser als der charismatische Firmenchef Craig Lloyd. Vor einem Millionenpublikum live im Internet und auserwählten Gästen vor Ort, hält Lloyd seine Keynote über die Spherepods im Globe, einer großen Glaskugel, die ebenfalls mit Hightech vom Feinsten glänzt. Doch während seiner Präsentation stirbt Lloyd, offensichtlich ist er vergiftet worden. Der Globe war verschlossen, nur Lloyd saß darin und längere Zeit vor Beginn der Veranstaltung hatte er weder etwas gegessen noch getrunken. Wie kann er da vergiftet worden sein? Wann und wie wurde ihm das Gift verabreicht? Vor allem aber, durch wen?
Gift ist eine Tatwaffe, die man häufig in den Händen von Frauen findet. Vielleicht eine Frage der physischen Konstitution in Kombination mit Ästhetik. […] Nun ja, Gift ist erstmal eins: Leicht. Schweres Heben entfällt also. Der schwere, stumpfe Gegenstand kann zu Hause bleiben. Dann als Flüssigkeit oder Pulver noch unauffällig und in kleiner Menge wirksam. Und es beult eine Abendhandtasche nicht so aus wie eine AK 47.
Kleos Henry Mehlos und seine Partnerin Joanna Santow von der Hyde Park Agency, die ebenfalls Gäste der Keynote waren, fühlen sich herausgefordert. Schon bald entdecken sie zahlreiche, menschliche Abgründe und entblößen einen gigantischen Bluff. Und wie es auf der Buchrückseite schon so schön heißt: Welche Rolle spielt eigentlich der Butler?
Agatha Christie ist im 21. Jahrhundert angekommen.
Hauke Schlüter verweist in seinem Nachwort explizit darauf, dass er sich von den zehn Regeln des „Detection Club“ (gegründet 1928 u. a. von Agatha Christie) habe inspirieren lassen. Statt jedoch einen in der Vergangenheit spielenden klassischen Krimiplot zu erzeugen und somit die Atmosphäre jener Zeit aufleben zu lassen, spielt „Zehn Gäste und ein Mord“ in der Gegenwart und man ist gut beraten, sich zumindest ansatzweise für moderne Technik zu interessieren (auskennen muss man sich nicht). Dessen ungeachtet kommen Freunde klassischer Plots hier ebenfalls voll auf ihre Kosten. Zehn Gäste, die alle ihre Geheimnisse haben, Streit und Intrigen, Machtspiele und Habgier, Seifenblasen und Fakenews wohin man blickt.
Mittendrin zwei Protagonisten, 35 und 28 Jahre jung, die sich offensichtlich zugeneigt sind, allerdings eine platonische Liebesbeziehung führen und sich zu allem Überfluss mit ihren Nachnamen anreden. Wobei das mit dem Anreden so nicht stimmt, denn Joanna Santow ist gehörlos. Kleos Mehlos beherrscht allerdings perfekt die Gebärdensprache und kann somit übersetzen. Neben modernen Begriffen aus der Kommunikationstechnik werden mitunter englische Wörter eingestreut, was sprachlich nicht immer überzeugt. Zumindest mutet es seltsam an, wenn man von einem Waiter bedient wird. Nun gut, Geschmacksache.
Es sollte nada Problem sein, hier dranzubleiben. Wäre sonst voll gelost. No-Go! Ich arbeite dran. Bleib chillig.
In dem bereits erwähnten Nachwort weist Hauke Schlüter zudem darauf hin, dass er einige Easter Eggs in der Geschichte platziert habe. Um diese zu entdecken, werden nahezu alle Leser jedoch das Nachwort benötigen. Egal, die Idee ist lustig und die Erklärungen sind interessant.
Ein in die Gegenwart adaptierter Krimi im Stil der Altmeisterin Agatha Christie. Gut konstruiert, mit zahlreichen falschen Fährten und einer klassischen Form der Auflösung. Alle Verdächtigen sitzen zum Schluss in einem Raum, Mehlos und Santow entlarven den Mörder – oder die Mörderin.